Seit April bieten die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) bayernweit Sprachkurse, individuelle Berufsorientierung und Weiterbildung speziell auch für Geflüchtete aus der Ukraine an. Die Nachfrage ist so hoch, dass vor allem die Integrationskurse deutlich ausgeweitet wurden.
Hohe Nachfrage von ukrainischen Geflüchteten an den bfz-Standorten – eine erste Bilanz
In Bayern leben laut Ausländerzentralregister im Januar 2023 rund 152.000 ukrainische Flüchtlinge. Das Bundesland nahm nach Nordrhein-Westfalen die meisten Menschen auf. Das zeigt sich auch am stark gestiegenen Interesse an den Angeboten der bfz:
Knapp 750 Geflüchtete informierten sich über Angebote für Deutschkurse und Erstorientierungskurse. Bei zweiteren war die Nachfrage zu Beginn der Fluchtbewegung mit rund 900 Eintritten besonders hoch. In diesen Kursen befassen sich die Teilnehmer*innen mit Themen aus ihrem Alltag, wie beispielsweise Gesundheit und medizinische Versorgung, Kindergarten und Schule, Werte und Zusammenleben. Auf diesem Weg werden bereits erste Deutschkenntnisse erworben.
Auf großes Interesse stoßen aktuell die Integrationskurse, deren Zielsprachniveau bei „B1“ liegt. Über 48 Prozent dieser Kurs-Teilnehmer*innen kommen aus der Ukraine. Im Jahr 2022 sind über 290 dieser Kurse bayernweit gestartet. Das entspricht einem Zuwachs von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In München lernen täglich rund 800 Personen auf diesem Weg die deutsche Sprache. Um die Integration in das Berufsleben zu erleichtern, unterstützen sie bayernweit 20 Jobbegleiter*innen der bfz als Lotsen und sogenannte „Schnittstellen-Manager*innen“. Sie bauen ein Netzwerk zu Beratungsstellen und potentiellen Arbeitgeber*innen auf. Alle Mitarbeiter*innen der bfz gehen individuell auf die Geflüchteten ein und unterstützen zielorientiert.
Anna Yevtushenko – auf dem Weg, ihren Beruf als Zahnärztin in Deutschland auszuüben
Anna Yevtushenko floh mit ihrer 10-jährigen Tochter im März 2022 aus Charkiw durch ihre Ingolstädter Verwandtschaft in die Nachbargemeinde Wettstetten. Die studierte Zahnärztin informierte sich bereits im Mai am Informationstag für ukrainische Geflüchtete über Angebote an den bfz Ingolstadt. „Ich war begeistert von den Möglichkeiten und froh über die schnelle Unterstützung zur Realisierung meiner beruflichen Visionen“, so die 44-Jährige. Noch vor Ort meldete sie sich für einen Erstorientierungskurs an, der bereits zehn Tage später startete. Ohne vorherige Sprachkenntnisse und nun bereits auf einem Sprachniveau „A1“, wechselte Yevtushenko im September in den Integrationskurs mit dem Zielsprachniveau „B1“. Dieser wird bis zum Frühjahr 2023 andauern. Währenddessen betreut sie bfz-Mitarbeiterin Neda Ghasemi als Jobbegleiterin: „Anna hat beste Perspektiven und ein klares Ziel, das sie motiviert verfolgt. Sie ist stark und optimistisch, schon bald als Zahnärztin in Ingolstadt Fuß zu fassen. Das Anerkennungsverfahren haben wir bereits in die Wege geleitet.“ Durch das gute Netzwerk fand Anna vorerst eine Teilzeitanstellung als Zahnarzthelferin in Ingolstadt. Nun geht es Schritt für Schritt weiter: Nach dem Erreichen des C1-Sprachniveaus für Medizinberufe, dem Erhalt der Berufserlaubnis sowie der staatlichen Approbation kann Yevtushenko als Zahnärztin durchstarten: „Wenn wir uns beruflich und privat ganz integriert haben, können wir als Familie in Deutschland ankommen.“
Natalia Popova – drei Monate nach ihrer Ankunft berufstätig
Natalia Popova ist seit Mitte Juni in Deutschland. Sie kam gemeinsam mit ihrem Mann aus der zerstörten Stadt Mykolajiw unter Bombenangriffen nach München. Freunde nahmen die beiden zu Hause auf und empfahlen ihnen als erste Anlaufstelle die bfz. Die 27-jährige Deutschlehrerin, die in der Ukraine als Privatlehrerin in einer Sprachschule unterrichtete, wollte auch hier direkt wieder tätig werden. Bei der Anmeldung ihres Mannes für einen Deutschkurs fragte sie kurzerhand, ob die bfz eine freie Stelle für sie hätten. Mit Erfolg: Seit drei Monaten organisiert Natalia alles rund um den Lernprozess der Kursteilnehmer*innen, bereitet Prüfungen vor und berät zu Sprachkursen. „Die Arbeit macht Spaß. Ich bin von Anfang an von meinen Kollegen und Kolleginnen gut aufgenommen worden. Alle sind sehr hilfsbereit und unterstützen mich auch bei Themen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben“, so Popova. „Wir unternehmen auch an freien Tagen etwas zusammen, beispielsweise haben wir das Oktoberfest gemeinsam besucht.“ Vor kurzem erhielt Popova eine Aufenthaltsgenehmigung. Mittlerweile hat das Ehepaar eine eigene Wohnung und fühlt sich etwas mehr im neuen Land angekommen.
Artem Popov – mit dem Deutschkurs im beruflichen Anerkennungsverfahren
Popovas Mann Artem Popov hat ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland und bekommt für das Verfahren zur beruflichen Anerkennung Unterstützung aus den bfz München. Popov war in seiner Heimatstadt sechs Jahre lang als Endokrinologe im staatlichen Krankenhaus und in Arztpraxen tätig. Aktuell nimmt er an seinem zweiten Sprachkurs teil. Um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, will er im Anschluss den nächsten Kurs mit Sprachniveau „C1“ absolvieren. „Ich möchte so schnell wie möglich wieder als Arzt arbeiten und Menschen helfen“, so der 32-Jährige.